Als Techno laufen lernte – Die wilden Anfangsjahre
Als Techno laufen lernte – Von den wilden Kellern zur Clubkultur der 2000er
Wie alles begann: Von verlassenen Ruinen, bröckelnden Mauern und einer Musik, die aus Maschinen kam – eine Geschichte über Techno, Berlin und den Rausch der Wiedervereinigung.
Detroit sendet ein Signal (1980–1985)
Die ersten Pulswellen des Techno kamen nicht aus Berlin – sondern aus Detroit. Inmitten von Industriebrachen und gesellschaftlicher Leere entwickelten Juan Atkins, Derrick May und Kevin Saunderson dort einen futuristischen Sound, der elektronische Rhythmen mit einer Haltung verband: maschinell, hypnotisch, anti-glamourös. Inspiriert von Kraftwerk, Parliament-Funkadelic und Italo-Disco entstand der sogenannte „Detroit Techno“ – und machte sich langsam auf den Weg nach Europa.
West-Berlin – isoliert, inspiriert (1987–1988)
West-Berlin war Ende der 80er eine Insel mit Sonderstatus. Eingekesselt, subventioniert, unangepasst. Der perfekte Nährboden für neue Subkulturen. Die ersten illegalen Acid-House-Partys fanden 1987 in leerstehenden Häusern statt. 1988 eröffnete mit dem UFO-Club ein Kellerraum in Kreuzberg, der schon bald als Keimzelle der Berliner Techno-Szene galt. Hier legten Pioniere wie Tanith, Dr. Motte und Klaus Jankuhn auf – mit Roland 303, 909 und jeder Menge DIY-Mentalität.
1989: Der 9. November – und plötzlich war Platz
Mit dem Mauerfall explodierte das kreative Potenzial. Während Politik und Bürokratie noch mit dem „Wie weiter?“ beschäftigt waren, besetzten junge Leute alte Lagerhallen, leere Schulen, Bunker, Brauereien und Kaufhäuser. Techno wurde zum verbindenden Sound zwischen Ost und West. Er brauchte keine Sprache, keine Herkunft, kein Styling. Die Beats waren roh, die Locations wild, das Gefühl: grenzenlos.
1990: Tekknozid und Tresor – die Szene wird real
Eines der ersten großen Events nach dem Mauerfall war Tekknozid – eine Reihe illegaler Raves in Ost-Berliner Industriehallen, organisiert u. a. von Wolle XDP. Die Musik wurde härter, kälter, minimalistischer. Wer dabei war, spricht heute von einem „Urknall“.
1991 folgte dann die Geburtsstunde des Tresor-Clubs, gegründet von Dimitri Hegemann im Tresorraum eines ehemaligen Wertheim-Kaufhauses in der Leipziger Straße. Dieser Ort wurde zum Symbol der neuen Clubkultur – düster, kompromisslos und völlig losgelöst von herkömmlicher Partykultur.
1991–1992: Die Szene explodiert – und bleibt doch Untergrund
Während kommerzielle Dance-Projekte langsam in die Charts drängten, blieb die Berliner Techno-Szene ihrem Untergrund treu. Neue Clubs wie E-Werk, Bunker, WMF und Matrix gingen aus dieser Zeit hervor – ebenso wie zahllose Labels, Plattenläden und Fanzines. Die Loveparade, die 1989 mit knapp 150 Menschen startete, wuchs 1991 und 1992 rasant – wurde laut, sichtbar, politisch. Doch im Inneren der Szene herrschte weiterhin ein Ethos von Freiheit, Kollektivität und musikalischer Konsequenz.
1993–1996: Die goldene Mitte
In dieser Phase erreichte Techno in Berlin eine ganz eigene Balance zwischen Eskalation und Struktur. Clubs wie das E-Werk etablierten sich als feste Orte urbaner Kultur. Die Loveparade brachte Millionen nach Berlin, doch parallel wuchsen auch experimentellere Orte wie der Maria am Ostbahnhof oder das Suicide. Die Szene wurde größer, vielfältiger – aber blieb rebellisch.
Techno war nicht mehr nur Musik – es war Ausdruck, Haltung, Architektur. Und Berlin war längst das Zentrum.
1997–2003: Ostgut, Berghain & der nächste Zyklus
Ende der 90er begann die Transformation. Während einige der frühen Clubs schließen mussten, entstanden neue Räume wie das Ostgut, das 1998 eröffnete – in einem ehemaligen Heizkraftwerk in Friedrichshain. Hier wurde Techno wieder roher, queerer, kompromissloser. Es war der Beginn einer neuen Ära – ohne Kompromisse, ohne Fotografen, ohne Regeln.
2003 wurde daraus das Berghain – heute ein Mythos, damals einfach nur konsequent. Berlin hatte nicht nur den Sound, sondern den Raum, die Haltung, das Archiv.
Die Szene war angekommen – ohne je anzukommen.
Sie lief. Und läuft. Und läuft.
Du willst das Ganze hören, sehen, fühlen?
Wir haben dir die besten Dokumentationen, Interviews und Archivaufnahmen zusammengestellt – die wilden Nächte, die Stimmen von damals, die Orte von heute: